Das Leo Baeck Institut hält die Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums lebendig.
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Im Juni dieses Jahres besuchte ich das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) auf Einladung des Forschungsverbunds Marbach-Weimar-Wolfenbüttel. Eine Woche lang hatte ich die Gelegenheit, die Bestände und Aktivitäten des führenden Archivs der Quellen deutschsprachiger Literatur kennenzulernen. Meine Marbacher Kolleginnen und Kollegen und ich entdeckten viele Gemeinsamkeiten zwischen unseren Institutionen und damit verbunden Möglichkeiten, zukünftig zusammen zu arbeiten. In einem Vortrag konnte ich die Arbeit des Leo Baeck Institutes sowie das Thema „Die Schocken-Bücherei in den Nachlasssammlungen des Leo Baeck Institutes New York“ präsentieren, das beinhaltet, wie sich die Bibliotheken deutsch-jüdischer Emigranten in unseren Bibliotheksbeständen nachvollziehen lassen. Wie das LBI wurde das Deutsche Literaturarchiv in Marbach 1955 gegründet. Und wie das LBI sammelt, katalogisiert und bewahrt das DLA Spezialsammlungen von Büchern, Archivalien, Kunstwerken und anderen Objekten. Angesichts der Tatsache, dass sich unsere Arbeitsfelder signifikant überschneiden, überrascht es nicht, dass einige der Sammlungen in unseren Institutionen miteinander verwandt sind bzw. einander ergänzen. Das Archiv in Marbach wurde als Erweiterung eines Museums aus dem 19. Jahrhundert gegründet, das sich dem klassischen deutschen Dichter Schiller und anderen schwäbischen Literaten widmet. Seit 1955 liegt ein besonderes Augenmerk auf Arbeiten von Autoren, die unter Verfolgung, Zensur und Flucht litten. Berühmte deutsch-jüdische Schriftsteller und Gelehrte, deren literarische oder akademische Nachlässe in Marbach aufbewahrt werden, sind Erich Auerbach, Paul Celan, Alfred Döblin, Hilde Domin, Yvan und Claire Goll, Mascha Kaléko, Siegfried Kracauer, Else Lasker-Schüler, Karl Löwith, Kurt Pinthus, Kurt Tucholsky und Karl Wolfskehl. In einigen Fällen teilen sich das LBI und das DLA das Material eines Autoren auf; beispielsweise verwahren beide Institutionen einen Teil der Nachlässe von Joseph Roth, Nelly Sachs, Stefan Zweig, Richard Beer-Hofmann, Fritz Mauthner und Erich von Kahler.
Das LBI, wie die Forschungslandschaft insgesamt, hat außerdem sehr von der Führungsarbeit profitiert, die das DLA in der Koordination geisteswissenschaftlicher Forschung geleistet hat. Zum Beispiel führt das DLA gemeinsam mit dem Rosenzweig Minerva Forschungszentrum an der Hebräischen Universität von Jerusalem das Forschungsprojekt “Traces and Treasures of German Jewish History” durch. Das Projekt identifiziert hervorragende Archivsammlungen von Akademikern, Autoren und Intellektuellen an den Central Zionist Archives, der Nationalbibliothek Israels und am LBI Jerusalem. Hunderte von Memoiren und Archivsammlungen des LBI Jerusalem wurden erfasst und in den Katalog des LBI New York am Center for Jewish History in Manhattan integriert. Besonders aufschlussreich war auch der Austausch über die Bemühungen meiner Kolleginnen und Kollegen in Marbach, die Buchsammlungen einzelner Autoren im Ganzen zu bewahren. Vollständige Buchsammlungen gewähren Einblick in die Lesegewohnheiten der Besitzer und geben Informationen zu Material und Lesekultur ihrer Zeit. Der Dichter Karl Wolfskehl (1869–1948), beispielsweise, verkaufte seine auserlesene 8.800-Band starke Bibliothek an den Verleger Salman Schocken, um 1937 seine Auswanderung nach Neuseeland zu finanzieren. Die Bücher wurden zunächst nach Jerusalem überführt, später jedoch zerstreut. Das DLA arbeitet nun daran, Wolfskehls Bibliothek zu rekonstruieren. Gespräche mit Bibliotheksdirektorin Jutta Bendt, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Caroline Jessen und anderen Kolleginnen und Kollegen über die Wolfskehl-Bibliothek und die privaten Bibliotheken von den anderen 120 Autoren sind sehr wertvoll für uns am LBI, die wir selbst Möglichkeiten erwägen, Bibliotheken von den deutsch-jüdischen Emigranten zu konservieren, deren vollständige Buchbestände wir erwerben konnten. Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen am DLA, die sich die Zeit genommen haben, ihr Wissen mit mir zu teilen und sowohl Möglichkeiten zukünftiger Zusammenarbeit als auch eine bessere Integration der Ressourcen in unseren verwandten Feldern zu erreichen. Ich danke außerdem dem Forschungsverbund Marbach-Weimar-Wolfenbüttel, der meinen Besuch großzügig finanziert hat.
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