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Ein huebscher Marktplatz in der Mittagssonne, ein kleines Dorf in den Alpen, ein Staedtchen am Rande eines Sees, dahinter die Berge. Die drei Bilder locken mit leuchtenden Farben, aufgetragen mit expressionistisch-federnden Pinselstrichen. Am liebsten moechte man in ihnen Urlaub machen. Was die strahlenden Bilder nicht verraten: Die Lebensgeschichte ihres Erschaffers steht der Leuchtkraft seiner Kunstwerke in nichts nach.
Walter Langhammer, geboren 1905 im oesterreichischen Graz, gilt als einer der Vaeter der “Bombay Progressives”. Die junge indische Kunstbewegung kristallisierte sich in den 1940er Jahren unter dem Einfluss Langhammers. Im Laufe der folgenden Dekade formte sich ein Verbund junger Kuenstler, die, hungrig nach Selbstbestimmung und Erneuerung, Langhammers Impulse der europaeischen Kunstszene nutzten, um sich vom britischen Imperat freizuschaffen.
Als Langhammer 1938 vor den Nationalsozialisten nach Bombai (heute Mumbai) floh, war er laengst studierter Kuenstler. Zu seinen Lehrern an der Wiener Akademie der Bildenden Kuenste gehoerten Ferdinand Andri, Hanz Tichy und Josef Jungwirth. Im Gegensatz zu seiner Ehefrau Kaethe Urbach war Langhammer nicht juedisch. Allerdings stand er mit seinen politischen Ansichten, die er unter anderem in Form von Karikaturen veroffentlichte, im Widerstand gegenueber den Nazis. Eine ehemalige indische Studentin Langhammers in Wien, Shirin Vimadala, draengte Langhammer und seine Ehefrau, nach Indien zu kommen. Vimadala gelang es auf Langhammers Bitte hin, den Herausgeber der “Times of India” zu ueberzeugen, Langhammer als ersten Kunstdirektor der Zeitung einzustellen.
Ironischer- und tragischerweise wurden Walter und Kaethe nach ihrer Ankunft in Indien von den Briten als Kriegsgefangene verhaftet. Kaethe wurde in Satara interniert, Walter in Ahmednagar, wo er von anderen Gefangenen wiederum aufgrund seiner Kritik an Hitler drangsaliert wurde. Erst nachdem Kaethe den gemeinsamen Kuenstlerfreund Rudolf von Leyden veranlasste, Zeitungsausschnitte von Walters Hitlerkarikaturen den Autoritaeten in Indien zu schicken, kamen beide 1941 frei.
In ihrer Wohnung richteten die Langhammers ein Atelier ein. Junge indische Kuenstler konnten hier ungestoert ihrer Arbeit nachgehen. Sonntags luden Walter und Kaethe Kuenstler und Intellektuelle zu Salongespraechen zu sich nach Hause ein. Zusammen mit Rudolf von Leyden und Emmanuel Schlesinger brachte Langhammer den jungen Kuenstlern ein Kunstverstaendnis nahe, das grundverschieden war von der Tradition der Royal Academy of Art, die sie an ihren indischen Schulen kennengelernt hatten. Eingehend diskutierten sie Arbeiten von Picasso und anderen europaeischen Meistern. Syed Haider Raza, Langhammers Protégé, der zu einer der zentralen Figuren der “Progressive Artists Group” wurde, berichtet, wie Langhammer mit ihm Razas Arbeiten diskutierte und ihn mit Werken von Raphael, El Greco, Monet, Cézanne, aber auch mit persischer und indischer Rajput-Miniaturmalerei vertraut machte. Indem sie analysierten, was in jenen Bildern “passierte”, so Raza, schaerfte sich sein Formbewusstsein. “Schau sie dir ganz genau an”, habe Langhammer gesagt. “Finde die Unterschiede. Du musst die Bilder geradezu sezieren. Du musst genau sagen koennen, worin sich ein Matisse von einem Picasso unterscheidet und ein Monet von einem Cézanne.”
Mit seiner eigenen Bildung, seinen Kontakten in den Kreisen juedischer Exilanten aus Europa, und auch mit seinem materiellen Wohlstand kreierte Langhammer einen Naehrboden, auf dem die spaeter als “Progressive Artists” bezeichneten Nachwuchskuenstler florierten. Der gebuehrtige Wiener hatte frueh das Potenzial fuer die neue Kunstbewegung wahrgenommen und sah die langsame, aber stetige Entwicklung der “Progressive Artists” voraus. Der Einfluss, den die neue indische Kunstzene weit ueber Indien hinaus ausueben wuerde, war Langhammers Meinung nach nicht zu ueberschaetzen.
Einige der aus Europa gefluechteten Intellektuellen, Industriellen und Doktoren unterstuetzten als Kunstmaezene Langhammers Schueler. Zu ihnen gehoerte der Kunstkritiker der Times of India, Rudolf von Leyden. “Ich bin auf die Farbe aus”, habe er Langhammer bei einer von dessen Ausstellungen in der Bombay Art Society sagen hoeren. So wie Langhammers Enthusiasmus und Expertise die junge Kuenstlerszene Indiens nachhaltig gepraegt haben, so haetten laut Leyden das Licht und die Farben Indiens einen tiefen Einfluss auf Langhammers kuenstlerisches Schaffen ausgeuebt. Als sich Walters Gesundheit kontinuierlich verschlechterte, kehrte er mit Kaethe nach Europa zurueck. 1977 verstarb er im Alter von 72 Jahren.
Ob es die Sonne Indiens ist oder schlichtweg das Alpenlicht, das den huebschen Marktplatz, das kleine Dorf und das Staedtchen am Rande des Sees erstrahlen laesst, ist unklar; es ist nicht bekannt, ob die drei Bilder Langhammers in der Obhut des LBI vor, wahrend oder nach Langhammers Zeit in Indien entstanden. Sicher scheint jedoch dies, dass der Kuenstler die Farben zum eigentliche Gegenstand der Bilder gemacht hat.
Dalmia, Yashodhara. The making of modern Indian art: the Progressives. Delhi: Oxford University Press, 2002.
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